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Die Zahl psychischer Erkrankungen in der Bevölkerung nimmt stetig zu. Fast jeder Dritte leidet einmal in seinem Leben an einer solchen Störung. Die Folgen dieser Entwicklung zeigen sich auch im Mund. »Psychische Leiden spielen in der zahnmedizinischen Praxis heute eine wichtige Rolle«, sagte Dr. Anne Wolowski, Oberärztin der Poliklinik für zahnärztliche Prothetik an der Universität Münster, auf einer Vorab-Pressekonferenz zum Tag der Zahngesundheit in Berlin. Während auf der einen Seite die Mundsituation selbst für seelische Belastungen sorgen kann, klagen einige Patienten über Zahnschmerzen, obwohl hierfür keine organische Ursache auszumachen ist. »Manche dieser Störungen in der Mundgesundheit sehen wie körperlich verursacht aus – sie haben ihre Ursache aber in seelischen Konfliktsituationen«, so Wolowski. In solchen Fällen handele es sich um somatoforme Störungen.
Zwischen 25 und 35 Prozent der Patienten einer allgemeinmedizinischen Praxis, die dort mit körperlichen Problemen vorstellig werden, leiden Studien zufolge an einer psychischen oder psychosomatischen Störung. »Auch Zahnärzte müssen damit rechnen, dass bei jedem dritten bis vierten Patienten eine psychosoziale Belastung eine Rolle spielt«, sagte Wolowski. Auch Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer, betonte die Problematik dieser Entwicklung. »Psychische und psychosomatische Beschwerden können eine Therapie sogar zum Scheitern bringen«, sagte er.
Verschiedene Krankheitsbilder weisen besonders häufig auf einen Zusammenhang mit seelischem Leiden hin. So manifestiert sich Stress oftmals in einer Hyperaktivität der Kaumuskulatur, Essstörungen können zu Schäden am Zahnschmelz führen und Depressionen eine Paradontitis fördern. Eine bundesweite zahnärztliche Befragung durch das Institut der Deutschen Zahnärzte hat erst kürzlich festgestellt, dass der Bruxismus, das unbewusste Knirschen mit den Zähnen, das am meisten zunehmende Krankheitsbild in den Praxen ist. Häufigste Ursache: chronischer Stress. Aber auch Klagen über schlecht sitzende Prothesen etwa gehen oftmals auf ein psychisches Problem zurück.
»Für den Zahnarzt hat das bio-psycho-soziale Krankheitsverständnis eine hohe Bedeutung«, sagte Oesterreich. Demnach gibt es eben mehr als »nur« organisch verursachten Zahnschmerz, es geht um eine ganzheitliche Betrachtung des Patienten. »Gerade Krankheitsbilder, bei denen eine deutliche Diskrepanz zwischen Befund und Befinden des Patienten festzustellen ist, oder die eine lange und komplizierte Krankheitsdauer ohne Therapieerfolg aufweisen, müssen besondere Beachtung erfahren.«
Viel Aufklärung nötig
Das stellt die Zahnärzte vor neue Herausforderungen. »In erster Linie müssen Zahnärzte in der Lage sein, psychosomatische Einflussfaktoren zu kennen und zu erkennen«, sagte Wolowski. Das ärztliche Gespräch mit dem Patienten habe nicht nur diagnostische, sondern auch wichtige therapeutische Funktionen. Allerdings stoße eine Unterhaltung über die Lebenssituation der Patienten bei diesen immer noch auf Unverständnis. »Die Patienten erwarten eben nicht, dass sich der Zahnarzt für mehr als nur für Zähne interessiert«, so Wolowski. Hier sei noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten.
Rund 70 Prozent der Bevölkerung gehen einmal im Jahr zum Zahnarzt. Bei Früherkennung und Prävention psychischer Erkrankungen können Zahnärzte durch diesen regelmäßigen und breiten Kontakt zu den Patienten eine wichtige Rolle übernehmen. »Der Zahnarzt hat die Chance, psychische Störungen frühzeitig zu erkennen, diese anzusprechen und einer adäquaten Therapie zuzuführen«, sagte Oesterreich. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Ärzten und Psychotherapeuten sei dabei von großer Bedeutung. Zahnärzte würden außerdem entsprechend fortgebildet. »Im Berufsstand ist das Interesse für diese Thematik sehr groß«.